Die INITIATIVE  wurde am 19.06. 2001 im Zeichen  rechtsradikaler Gewalt und Fremdenfeindlichkeit  in Deutschland ins Leben gerufen.  Die furchtbare Hinterlassenschaft der Nationalsozialisten,  ein böses Erwachen in einem Meer von Blut, Zerstörung und Vernichtung soll durch Berichte von Zeitzeugen über Erlebnisse und Erfahrungen aus dem Alltag während dieser Zeit wiedergegeben und zu  kritischer Reflektion anregen.

 W i r   sind Senioren, die über ihre Jugend berichten, die geprägt war von Krieg, Zerstörung
             und Wiederaufbau.

 W i r   erinnern uns wieder an diese Zeit, wenn w i r  Bilder des Krieges, der Flüchtlinge und   
    
            des Terrors sehen.

 W i r   können es nicht ertragen, wenn wir in Deutschland Symbole oder Fahnen sehen und  
            Parolen hören, die uns in den Untergang und zur Zerstörung unseres Vaterlandes 
führten.

W i r   wollen nicht zulassen, dass wieder junge Menschen mit rechtsradikalem Gedankengut 
           verführt und missbraucht werden. Darum besuchen wir  Schulen! 

W i r   berichten über unsere Erlebnisse als junge Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus 
            und beantworten die Fragen der Schüler. 

So soll ein Bild der Zeit von 1933-1949 vermittelt werden, mit dem Verständnis,  ZEITgeschichte wie ein Haus mit unzähligen Fenstern zu betrachten. In diesem Sinn wollen ZEITzeugen  ZEITfenster öffnen. Persönliche Erlebnisse, Empfindungen, Erfahrungen und Gedanken sollen ZEITereignisse wiederspiegeln um ZEITgeschichte auch emotional nachvollziehbar zu machen. 

Um jungen Menschen diese Erfahrungen und Erlebnisse zu vermitteln, wurden in einem Pilotprojekt in Bad Salzuflen an zwei Schulzentren  Zeitzeugengespräche mit Schülern und Schülerinnen geführt. Es folgten weitere Einladungen an Schulen in der Region. Vorbereitet wurden diese Gespräche in regelmäßigen Zeitzeugentreffen in Bad Salzuflen und in einer Zeitzeugeninitiative in Bielefeld. So wurde Teilnehmern an einer Arbeitsgemeinschaft von  "STUDIEREN AB 50" an der Universität Bielefeld  unter wissenschaftlicher Begleitung  die Möglichkeit gegeben, durch strukturierte Interviews und den Einsatz  biografischer Lebenskurven das Erlebte wieder zu erarbeiten.  

Das große Interesse von Schülern, Schülerinnen und Lehrern hat uns ermutigt, vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse die Arbeit  fortzusetzen und zu intensivieren. Da im besonderem Maße regional bezogene Berichte von Bedeutung sind, suchen wir noch Zeitzeugen, die sich an dieser Arbeit beteiligen möchten. Wir würden uns freuen, wenn dieses Projekt auch in anderen Regionen Deutschlands Nachahmer finden würde. Uns zugesandte Beiträge zur Veröffentlichung im ZEITzeugenforum könnten dieses Anliegen unterstützen.

Dieses ist ein Anfang in bescheidenem Umfang. Das nächste Arbeitsthema für ZEITzeugenberichte  lautet: Nachkriegszeit und Wiederaufbau in Ost- und Westdeutschland. Ihr Interesse entscheidet darüber, ob ein Netzwerk entsteht, in dem Erfahrung und Wissen weitergegeben wird. Viele ZEITzeugenberichte können ein Mosaik aus Erfahrungen vermitteln, die größere ZEITfenster zu öffnen vermögen.

Ein Erfahrungsaustausch mit Initiativen ähnlicher oder gleicher Prägung ist wünschenswert und würde diesem Anliegen mehr Bedeutung verleihen. Für Kontakte und Anregungen sind wir dankbar!

ZEITzeugenforum                             Hendrik  Abeler, Nachtigallenweg 4, 32105 Bad Salzuflen
                                                                                           E-Mail: Zeitzeugenforum@aol.com

wissenschaftliche Begleitung:                       Dr. Michael  Schräder
                                                                  Universität Bielefeld, Fakultät für Pädagogik
                                                                  Universitätsstraße 25 PLZ 33615
                                                                  Postfach 100131 (PLZ 33501)
                                                                  33501 Bielefeld    E-Mail: Michael.Schraeder@uni-Bielefeld.de

Bad Salzuflen 28.04.2002                      

 

Fragen und Antworten anlässlich der Begegnungen mit Schülern

 

Schülerfrage: 
Haben die Erlebnisse in der Kriegs- und Nachkriegszeit Auswirkungen auf die Erziehung Ihrer Kinder gehabt?

Zeitzeuge:  
Ja, das zeigte sich in der Erziehung zur Kritikfreudigkeit und Kritikfähigkeit gegen Fremdbestimmung und Gewalt. Zu Gewalt schreibt Udo Rauchfleisch in seinem Buch: „Allgegenwart von Gewalt"  Sammlung Vandenhoeck ISBN 3-525-01419-8  2. Auflage 1996   

„Gewalt finden wir auch heute immer wieder im familiären, sozialen und politischen Bereich. Seien wir kritisch, um diese Signale rechtzeitig wahrzunehmen. Gefährliche Entwicklungen bahnen sich an, Wenn Menschen ihre  eigene Kritikfähigkeit aufgeben, sich unterordnen und blind von Autoritäten leiten lassen. Oft ist es bei entsprechendem Anlass  dann nur noch ein kleiner Schritt in die Abhängigkeit von Idolen und Führergestalten, insbesondere wenn diese  uns suggerieren, unser Handeln stehe im Dienste hoher ethischer Werte und gerade auf uns komme es an, wir seien dazu ausersehen, die Welt zu "retten!" Wann immer Menschen ihr Gewissen und ihre moralischen Wertung zum Schweigen gebracht und die Verantwortung für ihr Handeln an Autoritätspersonen delegiert haben, hatte dies verhängnisvolle Konsequenzen.“ 

Wir werden besonders hellhörig, wenn  mit den alten rechtsextremistischen  Parolen wieder fremdenfeindliche und antisemitische Ressentiments geschürt werden. Parolen wie „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus, Revision der internationalen Verträge um Grenzanerkennung seiner geschichtlich gewachsenen Grenzen, Erhaltung der deutschen Volkssubstanz, Deutschland muss wieder deutsch werden,“ erinnern uns fatal an die vergangenen Parolen der Nationalsozialisten " Juden raus" und "Volk ohne Raum“ . Nein, das wollen wir nicht. Keine Revision, keine Führer die uns sagen, "Du bist nichts, das Volk ist alles", keine Ausgrenzung von Minderheiten, Flüchtlingen und Andersdenkenden. Keine Staatsgewalt, die unsere Grundrechte  missachtet und ihre Ziele wieder mit Krieg und Vernichtung erreichen will.

Dieses ist unser Land, das unsere Eltern, Eure Großeltern und Eltern mit uns nach diesem furchtbaren Krieg wieder aufgebaut haben.  Ein Land, das nach dem Krieg Millionen Flüchtlinge aufgenommen und integriert hat. Und das seit über 50 Jahren in Frieden mit seinen Nachbarn lebt. Ein demokratisches Land, das um sozialen Ausgleich bemüht ist, Wohlstand für seine Bürger geschaffen hat und jetzt auf dem Weg ist, die neue Einheit als Nation zu finden.

weitere Fragen an die Zeitzeugen  - Auszug aus Fragenkatalog der Schüler -

zum Themenfeld:  Propaganda, Widerstand
Wie haben sie die Mittel nationalsozialistischer Propaganda erlebt?
Können Sie sich an konkrete propagandistische Aktionen erinnern?
Wurde die nationalsozialistische Propaganda ernst genommen?
Wie haben sie den Deutschen Widerstand erlebt?
Haben Sie selbst Widerstand geleistet oder haben Sie ihn als Außenstehender mitbekommen?
Haben Sie einmal miterlebt, wie aktiver Widerstand gegen das Regime geleistet wurde?

zum Themenfeld: Alltag im 3. Reich
Was bekam man über das Spitzelwesen mit?
Unterhielt man sich mit Freunden u.a. über die heiklen Themen (Juden, Endsieg)?
Wie weit blieben andere Lebensbereiche (Sport, Kirche, Kunst) wichtig?
Gab es Auseinandersetzungen in der Familie in Bezug auf das politische Geschehen?
Wie hat sich Ihr Familienleben verändert? (Umfeld, Verwandte)
Waren Sie in der HJ? Wenn „Ja“.... Erfahrungen mitteilen!
Wie denken/ empfinden Sie heute über die HJ? Scham?

zum Themenfeld:  Kriegsausbruch und Verlauf
Welche Empfindungen löste der Kriegsausbruch 1939 aus?
Glaubte man wirklich Hitler würde Frieden bringen? (Wusste man von Kriegsplänen)?
Stand die Bevölkerung Ihrer Meinung nach hinter dem Krieg?
Was bekam man über den Kriegsverlauf mit?
Wie lange hielt die Zuversicht von Verwandten/einem selbst, dass Deutschland siegt?
Gab es Differenzen  zwischen Wehrmacht und SS?
Welche Erinnerungen bestehen an die Zeit als Frontsoldat?
Waren Sie in Kriegsgefangenschaft? Erinnerungen und Erfahrungen

zum Themenfeld:  Judenverfolgung und KZs
Wie war ihre persönliche Einstellung zu den Juden?
Umgang mit Juden aus der engeren Umgebung?
Hatten Sie jüdische Bekannte? Wie war Ihr Verhältnis zu diesen Menschen nach der Machtergreifung?
Haben Sie jemals eine Deportation miterlebt?
Wurde in Familie/Umkreis über Gräueltaten gesprochen oder geschwiegen?
Wusste die Bevölkerung aus Ihrer Sicht von den Abläufen/Folterungen und Vergasungen in den KZs?
Haben Sie Ausschreitungen gegen Juden miterlebt?

zum Themenfeld:  Indoktrination/Ideologie
fanden Sie an der NS-Ideologie so faszinierend?
Hatten Sie zeitweilige Zweifel an der NS-Ideologie?
Was ist die prägendste Erinnerung an den NS-Staat?
Was empfanden Sie am 30.01.1933?

zum Themenfeld:  Soziale Situation während der NS-Zeit
wirkte sich der Krieg auf den Alltag aus? (Versorgungslage etc.)
Gab es einen besonders engen Zusammenhalt in der Familie?
Überwog in Ihrem gesellschaftlichen Umfeld eher die Solidarität oder eher die Ichbezogenheit?

zum Themenfeld:  Einzelschicksale
Wie reagierte man in den Familien auf das politische Umfeld?
War eine Spannung zu  bisherigem Werteempfindungen zu registrieren?
Wie empfand man die konkreten Einflüsse auf das tägliche Leben?
Welche Faktoren waren für die eigenen Werteorientierung am wichtigsten?
Gab es bei Erwachsenen oder Jugendlichen das „ungute“ Gefühl, dass die Entwicklung problematisch sei?
Gab es die Empfindung von (politischer) Unfreiheit?
Sah man die eigene Lebensperspektive unbeschwert optimistisch, war das Lebensgefühl „normal“?

zum Themenfeld:  Wie verhielten sich bestehende Autoritäten/Institutionen?
Schule/Lehrer: Inhalt (Gegenstände, Werteorientierungen) und Art der Erziehung.
Was war hier traditionell bzw. „normal“, was war vielleicht neu?
Kirchen/Pfarrer: verstanden sie sich als mahnend-kritisches Gegengewicht, zeigten  sich begeistert, angepasst oder eher ressignativ?

zum Themenfeld:  Umgang mit der NS-Zeit nach 1945
Wurde den Nürnberger Prozessen große Aufmerksamkeit zuteil?
Halten Sie die Nürnberger Prozesse für eine geeignete Form der Aufarbeitung?
Wie sind Sie mit dem Erlebten umgegangen?
Welchen Einfluss hatte die Erfahrungen und Erlebnisse der Nazizeit auf die Erziehung Ihrer Kinder?