Zeitzeugenberichte  - Kriegs- und Nachkriegszeit -

 

Albert

MEIN WEG IN DER ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS

1933, dem Jahr der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten kam ich in die 4. Klasse der Volksschule in der Weststadt Heidelbergs. Ich hatte noch die letzten Jahre der Weimarer Republik erlebt. Mein Vater war arbeitslos, in unserer Familie mit sechs Kindern war Schmalhans Küchenmeister, auf den Straßen wurde häufig demonstriert, und es gab Schlägereien zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten.

Mein Klassenlehrer war ein fanatisch überzeugter Nationalsozialist. Nach ihm sollten auch wir das werden. In seinen Augen war Euthanasie gut und notwendig. Das deutsche Volk sollte gesund sein und rein bleiben. Also mussten Geisteskranke und andere Erbkranke durch Sterilisation oder Tötung ausgemerzt werden. Jeden Donnerstag fragte uns der Lehrer, wer gestern nicht im Dienst des Jungvolks gewesen sei. Da hatte ich gewisse Schwierigkeiten, weil ich keine Uniform besaß und nicht das Schlusslicht des Fähnleins sein wollte. Mit 13 Jahre nahm ich jedoch die Gelegenheit wahr, in die Musikkapelle der Hitlerjungend aufgenommen zu werden. Nazi-Ideologie spielte hier nahezu keine Rolle. In der musikalischen Gemeinschaft fühlte ich mich recht wohl.

1937 mussten unsere jüdischen Mitschüler die staatliche Schule verlassen und in eine eigene Schule gehen. So verlor ich meine jüdischen Freunde aus den Augen, den Kaufmann, Strauß, Deutsch und Goldstrom, mit dem ich täglich die Hausaufgaben machte. Die Nachricht vom Brand der jüdischen Synagoge erreichte uns mitten im Unterricht am 10.ll.1938. Sofort wurde der Unterricht abgebrochen. Ich lief zur etwa 1000m entfernten Synagoge und stand nun mit einigen, nicht vielen Leuten vor der qualmenden Ruine. In der Plöck sah ich einen jungen Mann mit einer Axt auf der Schulter. Es wurden Schaufenster und Haustüren jüdischer Besitzer eingeschlagen. Aus dem oberen Stockwerk eines Hauses in der Bunsenstraße warfen SA-Leute Möbelstücke, Bettzeug und Büromaschinen aus dem Fenster. Umherziehende SA-Kolonnen sangen: „Ja, wenn das Judenblut vom Messer spritzt, Bolschewiki komm mal her."

Was habe ich bei alledem empfunden? Abscheu über diese Verbrechen war es nicht, eher so etwas wie wenn man eine Naturkatastrophe erlebt, einfach Hilflosigkeit, Unverständnis. Uns war ja gelehrt worden, dass alle Obrigkeit von Gott sei (Paulus, Luther). Hitler meinte gar: "Du bist nichts, dein Volk ist alles!" Solchen Geist atmen auch Schulaufsätze, die ich mit 13 geschrieben habe. In meinem Elternhaus wehte ein anderer Wind. Meine Mutter sagte einmal: „Unglück wird über das jüdische Volk kommen, aber wehe dem Volk, das dieses Unglück bringt." Und mein Vater, Frontkämpfer im 1. Weltkrieg, gab mir den Rat: „Bub, nimm kein Gewehr in die Hand."

Meine Bereitschaft, einen Beitrag für die Volksgemeinschaft zu leisten, war dennoch ungebrochen. So entschloss ich mich mit 17 Jahren freiwillig zur Waffen-SS zu gehen. Aber meine Mutter sagte: „Von mir bekommst du keine Unterschrift." Also wartete ich, bis ich 18 war und meldete mich zur Wehrmacht. Es war schon 2 Jahre Krieg. Nach 4 Wochen Rekrutenzeit sollte ich Hilfsausbilder werden. Ich aber wollte zum Einsatz kommen und lehnte ab. Anstatt zur Front kam ich zu einer Kompanie, die Versuche mit neuen Geräten der Hochfrequenztelefonie anstellen sollte. Nach einiger Zeit wurde ich zum Reserveoffiziersbewerber bestimmt.

1942 hatte uns der Kompaniechef gesagt (in meinem Kriegstagebuch wörtlich): „Das deutsche Volk erhält die große Aufgabe, Führer der Welt zu sein." Meine Anmerkung darunter: „Wir sind nicht fähig dazu". Begründet mit meinen Erfahrungen, wie unsere sadistischen (oder verunsicherten?) Vorgesetzten durch erniedrigende Schikanen, Quälereien und Beschimpfungen dem gemeinen Soldaten Würde und Selbstbewusstsein raubten.

Auszug aus dem Kriegstagebuch des Autors vom 1. Januar 1942

.....die deutsche Nation ist in einen Krieg gekommen. Sie ist nicht gewillt, länger Knecht zu sein. Sie meint es sicher nicht so eigennützig wie die Machtstaaten England und Amerika. Nun, wir sind ein tüchtiges, arbeitsames Volk. Wir sind gewillt und sagen auch, wir seien fähig, Europa neu zu ordnen, d.h. wir wollen den Engländer ausschalten, um das Schiff „Europa" selbst zu steuern. Können wir es? Wir sind gewiss tüchtige Arbeiter und Köpfe. Ja, wir blicken lächelnd in die Zeit des deutschen Michels zurück und denken dabei an ein längst vergangenes Märchen. Welch ein Irrtum! Die Zipfelmütze hat auch nicht der letzte Wind heruntergerissen... Leutnant Greilach sprach einmal zu uns: „Wir erhalten eine große Aufgabe, Führer der Welt zu sein."

Mein Glaube ist: „Wir sind nicht fähig dazu". Schon oft habe ich mich gefragt: „Woran liegt es?" Ich hätte aufheulen mögen über die Bilder, die ich hier schon sehen musste. Wenn ein einfältiger Rekrut vor Mannschaften und Franzosen mit einer Hundepeitsche geschlagen wird. Und ich möchte doch so gern ein Baustein für Deutschland sein! Gestern schrie uns ein Feldwebel ohne Unterlass in Paris vor der gaffenden Menge an. Wut stieg in mir hoch. Wohin werden wir nun tatsächlich erzogen? Zum Lügen, Stehlen, zum sich Drücken, zu Minderwertigkeitsgefühlen usw. Sind das Eigenschaften eines Führervolkes?

Unter einer kleinen Gruppe von kritischen Kameraden zirkulierte ein von 1933 geschriebenes Buch, in dem berichtet wurde, wie jüdische Studenten von sogenannten arischen Kommilitonen in der Uni beschimpft und geschlagen wurden. Das Buch fiel unserem Kompaniechef in die Hände, der dabei wohl Muffensausen bekommen haben muss, denn er war schließlich für die Moral der Truppe verantwortlich. War ich bisher von ihm geschätzt gewesen, so wurde ich nun vor der Kompanie zum Defätisten gestempelt, den „man eigentlich erschießen sollte." Zur Strafe wurde ich nun zur Partisanenbekämpfung in Russland kommandiert, vom Bataillon aber wegen meiner Spezialausbildung zurückgeholt..

1944 dann das Attentat auf Hitler, das in meinen und meiner kritischen Kameraden Augen leider misslungen war. Wie seine Rache mutete eine Aktion an, als unsere Kompanie auf Veranlassung der Gestapo in einem Vorort von Paris alle Juden verhaftete. Alte, Frauen und Kinder in ihren dünnen Sommerkleidern, ohne etwas mitnehmen zu dürfen, auf Lastkraftwagen verladen und in ein Sammellager gebracht, von wo aus sie nach Polen transportiert werden sollten. Uns war bewusst, dass das eine Reise in den Tod bedeuten würde. Jetzt wurde mir endgültig klar, dass Kriegsbeginn und Kriegsführung der deutschen Wehrmacht unter nationalsozialistischem Befehl ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren. Als ich auf dem Rückzug der Wehrmacht durch das Städtchen Hadamar im Westerwald kam, sagten mir Einwohner, dass von der Psychiatrieklinik viele Omnibusse mit zugezogenen Vorhängen weggefahren worden waren, in denen Kranke zu ihrer Tötung gebracht wurden.

Am Ende des Krieges schickten mich die Amerikaner für 3 Jahre als Kriegsgefangener zum Arbeitseinsatz nach Frankreich. Dort musste ich büßen für die Verbrechen, die im Namen des Nationalsozialismus europaweit verübt worden waren. Und ich tat es ohne Murren.

Schulaufsätze des Autors

Was weiß ich vom Winterhilfswerk 23.11.1935 - 7. Schuljahr – 

Das Winterhilfswerk, abgekürzt W.H.W., dient der Wohlfahrt des Landes. Ohne dieses Werk würde es vielen Volksgenossen schlecht gehen. Dazu dienen die Sammlungen mit Blumen, Plaketten u.a.. Auch der Eintopfsonntag soll dazu helfen. An diesem Tage sollen wir es uns auch einmal mit einfacherer Speise genügen lassen. Es gibt Familien, die wären froh, wenn Sie jeden Tag ein Eintopfgericht hätten. Das Geld, das wir an dem Eintopf sparen, sollen wir dem WHW geben. Dieses alles, was wir geben, sollen wir nicht gezwungen geben, sondern aus eigenem, inneren Antrieb. Ein Bibelspruch lautet: „Geben ist seliger als Nehmen." Dies ist ein wahres Sprichwort. Ich weiß auch noch eines. Das heißt: „ Die Freude die wir geben, kehrt in´ s eigen Herz zurück." Ich habe auch schon oft gesammelt. Hier habe ich die Beobachtung gemacht, dass reiche Leute am wenigsten geben.

Der Versailler Schandvertrag hat es so weit gebracht, dass wir fast verhungern mussten. Doch Gott hat uns einen Retter und Führer geschickt. Er ist Deutschlands Sohn. Dazu passt auch ein bekanntes Sprichwort: „ist die Not am Größten, so ist Gottes Hilfe am Nächsten." Unser Führer hat ein großes Werk geschaffen, das dem deutschen Volk das Leben wieder gab. Darum sollen wir freudig opfern. Hiermit erfüllen wir auch das Gebot der Nächstenliebe.

Darum möge Gott dieses Reich segnen, damit es lange bestehen kann.

Volksgemeinschaft 14.2.1936 - 8. Schuljahr – 

Volksgemeinschaft dürfen wir nicht falsch verstehen; manche verstehen es nämlich so, sie sagen: „ich lege ein bisschen von meinem Gehalt beiseite, ich gebe da und dort nach, ich bin ja ein reicher Beamter". Nein, das ist keine Volksgemeinschaft, sonder Volksgemeinschaft heißt auf das Ganze Rücksicht nehmen, dem Ganzen zu helfen. Sich neben allen sonstigen Gaben in den Dienst des Volkes zu stellen.

Schon zu Zeiten der Germanen hat die Unkameradschaft, die Unvolksgemeinschaft Zwiespälte und Uneinigkeit in unser Volk gebracht. Das I. und das II. Reich mussten wegen der fehlenden Volksgemeinschaft untergehen. Das Jagen und Trachten damaliger Bürger nach Geld und Besitz machten die Arbeiter stutzig und voller Hass gegen alle wohlhabenden Stände. Die Volksgemeinschaft fehlte.

Der jüdische Geist wurde durch Marx und Lassalle in die Reihen der Arbeiterschaft getragen und brachte es fertig, die Arbeiter zu einer furchtbaren Revolution zu bringen, die grauenhaft endete. Auch schon wir Jugendliche können Volksgemeinschaft üben, indem wir Beiträge geben, indem wir sammeln, auch als Mitglied irgendeiner staatlichen Organisation können wir unsere Volksgemeinschaft in den Dienst des Volkes stellen u.a.m.. K.d.F, unter der Leitung von Dr. Ley, hat dem Zweck und die Aufgabe, die Volksverbundenheit herzustellen.

Auch wir als Deutsche dürfen unser höchstes Ziel und Streben in der Pflichterfüllung als Volksgemeinschaft betrachten.

Am Geburtstag des Führers 26.4.1936 - 8. Schuljahr – 

Am letzten Montag feierte das gesamte deutsche Volk den Geburtstag unseres Führers. Schauen wir in die Weltgeschichte und fragen wir, wie die Geburtstage führender Männer gefeiert worden sind, so ergibt sich ein eigentümliches Bild. „Nur" Kaiser und Könige wurden dieser Ehre für wert befunden. Dieser Grundsatz ist in der Geschichte, soweit wir sehen, durchbrochen worden. Schon zum vierten Male gibt das deutsche Volk dem Führer seine Segenswünsche mit auf seinen schweren und kampferfüllten Weg. Auch der diesjährige Geburtstag unseres Führers war sicher der schönste und abwechslungsreichste dadurch, dass wir das Militär in seinen Aufführungen und Veranstaltungen bewundern durften.

Wir Schuljungen hatten morgens eine Schulfeier. Daselbst sprach unser Rektor ein paar Worte und schloss mit einem dreifachen „Sieg Heil" auf den Führer. Aber dann ging´ s auf den Vangerowplatz, um den militärischen Übungen beizuwohnen. Hier ging es „klapp, klapp!" Und schon standen alle wie am Schnürchen. Manchem Alten stand dabei eine Träne im Auge, wenn er an seine Soldatenzeit dachte, wie er und noch unzählige andere im Kriege gelitten hatten, wie Hunger und Elend in dem bald untergehenden Deutschland hauste, wie diesem unglücklichen Lande dann ein Führer erstanden isst, der es rettete! In ihm ruht und besteht Deutschland! Heil Hitler!

Weltfeind Nr. 1

Weltfeind Nr. l, gemeint damit ist der Bolschewismus, das ist eine Ausstellung, die das Wirken des Bolschewismus in der Welt veranschaulicht. Wir hatten das besondere Vorrecht, diese klassische Ausstellung, ein Meisterwerk deutscher Technik, gemeinsam mit unserer Klasse zu besichtigen. Der Eintrittspreis einschließlich Tonfilmvorführung ist für uns mit zwanzig Pfennigen sehr niedrig gehalten.

Dieser riesige Zug, der aus vier Motorwagen mit je zwei Anhängern besteht, birgt in sich jene erschütternden Szenen und Dramen, die täglich in Spanien geschehen und der ganzen Welt drohen. Wir sahen in Modellen, Bildern und Tatsachenbeständen das wahre Gesicht des Bolschewismusses, dessen Herd in Russland ist, und der überall Mord und Zerstörung anrichtet, wo er seine dunklen Ziele zu verwirklichen sucht. Da sah man in Bildern sowie im Film die grauenhaften Zustände im „Sowjet-Paradies", die blutige Zerstörung von Spanien, die Verhöhnung Gottes und der Religion. Nur Deutschland und Italien sind frei von dieser Seuche, die die ganze Welt befällt. Nach Stalins Aussage sollte Berlin die Zentrale des Bolschewismusses sein. Dank der tatkräftigen Regierung des Führers, der dieser Gefahr für Deutschland ein Ende bereitete, ist es nicht so weit gekommen.

Hier wurden jedem die Augen geöffnet darüber, was mit jedem einzelnen von uns geschehen wäre, wenn Deutschland zum Mittelpunkt kommunistischer Raubgier geworden wäre!